Marsch des Lebens 2024 - Ichthys Gemeinde Wiener Neustadt

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MARSCH DES LEBENS

Über 200 Teilnehmer bei Kundgebung gegen Antisemitismus in Wr. Neustadt


Foto: Christian Eiwen

Explosion des Antisemitismus in Österreich im vergangenen Jahr
Am Donnerstag, dem 10. Oktober 2024, zogen mehr als 200 Teilnehmer bei einem „Marsch des Lebens“ vom Hauptplatz Wr. Neustadt zu einigen der ältesten jüdischen Grabsteine Österreichs, um Solidarität mit dem israelischen Volk und den Juden in Österreich zu zeigen. Bei der Abschlusskundgebung sprachen David Roet (Israelischer Botschafter in Wien), Joshua Weiss (Enkel des letzten Oberrabbiners von Wr. Neustadt), Jaron Engelmayer (Oberrabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde Wien), Marie-Louise Weissenböck (Vorsitzende von „Christen an der Seite Israels“) und Helmuth Eiwen (Seniorpastor der Freikirche Ichthys Wr. Neustadt).

In Folge des Terroranschlages der Hamas am 7. Oktober 2023 gab es eine Explosion des Antisemitismus auf der ganzen Welt. Wurden in Österreich davor täglich im Schnitt 1,5 antisemitische Vorfälle gemeldet, so waren es ab dem 7. Oktober bis zum Jahresende acht Fälle pro Tag – das ist mehr als das Fünffache. So einen plötzlichen Anstieg des Judenhasses gibt es laut Joshua Weiss nicht zum ersten Mal.
„Mein Vater musste mit elf Jahren aus dieser Stadt fliehen. Von ihm weiß ich, dass Wr. Neustadt quasi über Nacht von Nazi-Ideologie und Fanatismus vereinnahmt wurde. Meine Großeltern wurden innerhalb von nur wenigen Wochen von angesehenen Bürgern zu Ausgestoßenen, Verfolgten und Gefangenen. Aber ich bin nicht hier, um mit dem Finger auf andere zu zeigen. Ich bin in die Stadt meiner Vorfahren gekommen, weil sie ein Teil meiner Herkunft und Kultur ist, die ich sehr schätze. Der erste Film, den mein Vater mir zeigte, war ‚Sound of Music‘ und er sagte mir, dass es nicht nur Nazis und Verfolgung gab, sondern Österreich ein wunderschönes, stolzes Land ist. Sein Lieblingslied war ‚Edelweiss‘.“

Gemeinsame Bestrebungen gegen Extremismus
Als Vertreter des Staates Israel sprach Botschafter David Roet, der die klare Position Österreichs lobte: „Die Solidarität unserer Freunde und Verbündeten, insbesondere hier in Österreich, war ein Lichtblick in der Dunkelheit. Die österreichische Regierung, das Parlament und die parteiübergreifende Führung haben sich klar und kraftvoll geäußert und verstanden, dass dieser Kampf nicht nur für Israel, sondern für die Werte der Freiheit, der Demokratie und der Menschlichkeit geführt wird. Nur wenn wir als moralische, demokratische Nationen zusammenstehen, können wir den gefährlichen Bestrebungen des Extremismus begegnen.“

Der Marsch des Lebens führte an den historischen jüdischen Grabsteinen Wr. Neustadts vorbei. Dort hielt der Wiener Oberrabbiner Jaron Engelmayer das Kaddisch-Gebet zur Erinnerung an die verstorbenen Juden der Stadt, deren Gemeinde während des Holocaust vollständig ausgelöscht und vertrieben wurde.


Foto: Johannes Eiwen

Christen dürfen nicht wieder schweigen
Der „Marsch des Lebens“ für Israel und gegen Antisemitismus und Judenhass in Wiener Neustadt wurde von einem Trägerkreis rund um christliche Kirchen und Organisationen ins Leben gerufen und wurde in enger Zusammenarbeit mit jüdischen Organisationen veranstaltet. Die Untätigkeit und das Schweigen einer Mehrheit der Christen hat zur Zeit der Nationalsozialisten den Holocaust begünstigt.
Marie-Louise Weissenböck ist Vorsitzende des Vereins „Christen an der Seite Israels“ und nennt den Grund für die Kundgebung:
„Wir stehen heute hier gegen das Schweigen, gegen den Hass und gegen Antisemitismus. Wir stehen nicht nur für Israel hier, sondern auch für die jüdischen Bürger in Österreich und weltweit, die einem unglaublichen israelbezogenen Antisemitismus ausgesetzt sind. Wir werden diesen Antisemitismus nicht dulden und unsere Stimmen dagegen erheben.“

Christlicher Antijudaismus als Nährboden für Antisemitismus
Helmuth Eiwen, Seniorpastor der christlichen Freikirche Ichthys Wr. Neustadt, ortet die Wurzeln für den Antisemitismus auch im Christentum selbst:
„Es erfüllt mich immer wieder mit großem Schmerz und tiefer Scham, dass eine der historischen Wurzeln des Antisemitismus auf eine christlich motivierte Judenfeindschaft zurückgeht. Dieser christliche Antijudaismus wurde zum Nährboden für jede Form des Antisemitismus bis hin zum rassistisch geprägten Antisemitismus des Nationalsozialismus. Diese Schuld dürfen und wollen wir als Christen nicht verschweigen, sondern bekennen und um Vergebung bitten.“

Joshua Weiss: „Es gibt Platz für alle“
Der Enkel des letzten Oberrabbiners von Wr. Neustadt sprach sich für eine neue Zukunftsperspektive aus:
„Verantwortung zu übernehmen heißt für mich, die Vergangenheit zu verstehen, um in Zukunft daraus zu lernen und es besser zu machen. Auf seine Herkunft und Religion stolz zu sein heißt nicht, dass es keinen Platz für andere gibt. Es gibt Platz für alle. Das gilt auch für meine Heimat Israel – da ist Platz für Juden, Muslime und Christen.“


v.l.n.r. Helmuth Eiwen, Marie-Louise Weissenböck, Botschafter David Roet, Joshua Weiss mit Gattin     Foto: Christian Eiwen

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